Geschichten aus der Zertifizierungs-Hölle: Was ein MCA, MCSM, MCM, MCSM Charter Member, MCSE oder MVP wirklich ist

2 Jahre ist es her, dass Microsoft das Ende des Master-Programms angekündigt hat. (Microsoft Certified Master & Architect (MCM & MCA) – The End of Advanced Certification. – And a planned new beginning?)

Aber damit ist die Zertifizierung nicht „tot“ oder gar „wertlos“, wie oft falsch zitiert.
Ganz im Gegenteil: sie ist fast noch wertvoller, denn nur, wer es bis zum 31. Dezember 2013 durch alle Prüfungen schaffte, kann sich heute MCM oder gar MCSM nennen.
Was „tot“ ist, ist das „Programm“, der Zertifizierungspfad mit den Prüfungen und eben der Möglichkeit das Zertifikat zu erhalten.

Da ich über die letzten Jahre immer wieder gefragt wurde, was eigentlich ein MCSM ist oder auch ein „Charter Member“ und wie der MVP da mitspielt, möchte ich dies hier einmal versuchen zu erklären. Für die unlogischen Hintergründe bin ich allerdings nicht verantwortlich – das lag ganz in der Hand von Microsoft Learning.

Werfen wir einen Blick auf die Zertifizierungspyramide, wie sie noch lange Zeit bei Microsoft Learning online zu finden war:

Das Schöne an dieser Übersicht, ist, dass es auch noch den „alten“ Pfad „MCTS-MCITP-MCM“ zeigt.
Diese hier erste Zertifizierungsreihe wurde aufgrund der Entwicklung zur Cloud hin mit Erscheinen von Windows Vista, Windows Server 2008 und für SQL Server Version 2012 durch den neuen Pfad „MCSA-MCSE-MCSM“ abgelöst.

Damit ist also der Unterschied vom MCM zum MCSM gelöst:

Der MCSM ist ebenso wie der MCM die höchste technische Zertifizierung von Microsoft, aber für die neueren Server-Systeme.

Für SQL Server nennt sich der MCSM, der auf SQL Server 2012 erworben werden konnte damit auch: Microsoft Certified Solutions Master: Data Platform (hier kann man das offizielle Data Sheet dazu einsehen)

Den MCM, Microsoft Certified Master SQL Server gab es für SQL Server 2005 und SQL Server 2008.

(hier kann man das offizielle Data Sheet dazu einsehen)

Was ist bei den Prüfungen zum MCM & MCSM anders als zum MCSE und MCSA?

Für die Standard-Zertifizierungen legt man eine Reihe an Multiple-Choice-Examen ab. Die genauen Prüfungen kann man hier nachlesen: MCSE: Data Platform

Für den MCM und auch den MCSM war eine weitere („weitere“, da eine bestehende MCITP-Zertifizierung Voraussetzung war) sogenannte „Wissens-Prüfung“ erforderlich, die ebenfalls im Multiple-Choice-Format war. Allerdings waren die Fragen hier deutlich komplexer und praxisnäher.
Der entscheidende Unterschied aber ist, dass für den Master eine praktische Prüfung, das „Lab-Exam“ erforderlich war. Diese wurde an einem Terminal mit Zugriff auf eine echte SQL Server Umgebung durchgeführt, auf der dann diverse Probleme innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu lösen waren.

Für den MCM SQL Server 2008 waren 5 Stunden und 25 Minuten angesetzt.
Für den MCSM auf Basis SQL Server 2012 gab es mehr Aufgaben in 7 Stunden zu lösen.
– genaueres darf ich leider nicht schreiben.

Leider konnte man die Prüfung zum MCSM: Data Platform erst ab September 2013 ablegen.
Insgesamt 7 Experten weltweit haben diese Möglichkeit erfolgreich genutzt.

Und damit hoffe ich auch dargelegt zu haben, warum die MCM und erst recht die MCSM Zertifizierung nicht wertlos ist: Eine der ursprünglichen Gedanken für das Master-Programm war es, so zu prüfen, dass man sichergehen konnte, dass derjenige, der besteht, damit echte praktische Erfahrung beim Lösen komplexer Probleme mit SQL Server nachgewiesen hat. Und diese geht ja nicht verloren. Wer Erfahrung mit SQL Server 2005 Datenbanktuning, Desaster Recovery etc. hat, kann auf diese auch unter neueren Versionen zurückgreifen.
Was natürlich für alle Produktzertifizierungen gilt, ist, dass die neuen Features damit nicht unbedingt auf dem Level bekannt sein müssen.

(Das war für mich persönlich der Grund, auch noch den MCSM hinterherzulegen: um meine Kenntnisse auf SQL Server 2012 mit den damals neuen Features AlwaysOn und ColumnStore damit belegen zu können.

– Und natürlich, um die „Schmach“ der im ersten Anlauf verbockten Lab-Prüfung mit 82% der benötigten Punktzahl (weil ich die falsche Zeitzone im Blick hatte?) wieder gut zu machen.
– Ohne Chance auf Wiederholung am letzten Tag der Prüfungsverfügbarkeit ist mir das ja glücklicherweise auch gelungen :-): MCSM (Microsoft Certified Solutions Master) Data Platform on SQL Server 2012)

Für den nächsten Punkt muss ich gestehen, dass die obige Pyramide eigentlich nicht ganz vollständig war. Ursprünglich sah sie so aus:

Was aber ist denn ein MCA?

MCA steht für Microsoft Certified Architect. Dieser Zertifizierung, die an der Spitze der Pyramide stand, war nicht so sehr eine technische, d.h. es wurden keine weiteren Praxis-Prüfungen oder ähnliches durchgeführt. Vielmehr musste der- oder diejenige gegenüber einem Gremium, dem „MCA-Board“, Rede und Antwort zu der Durchführung von realen Projekten mit SQL Server stehen musste. Hierbei ging es nicht so sehr um Technik, dafür war man ja bereits MCM, sondern mehr um die anderen Fähigkeiten wie Teamführung und Konzeption, die man als Architekt eben haben sollte.

Hier schreibt ein MCA dazu: What is a Microsoft Certified Architect?

Deshalb wird der MCM auch oft als die höchste „technische“ Zertifizierung angegeben. Der MCA ist jedoch die uneingeschränkt höchste Zertifizierung von Microsoft.

Trivia: Die allererste Runde an MCA’s hatte übrigens noch keine SQL Server Version im Titel, sondern hieß schlicht „MCA: Database“. Davon gibt es insgesamt 26 weltweit. (Und diese Zahl ist wirklich fix, auch wenn nicht alle Namen veröffentlicht wurden.) 2007 wurde aus diesem Titel dann der MCA: SQL Server 2005.

Trivia² In der Zeit des „MCA: Database“ gab es noch einen „MCA apprentice“, der den ersten Experten verliehen wurde, die durch das „Ranger“-Programm (der Vorläufer des MCM-Programms) gegangen sind, aber aufgrund ihrer Rolle nicht dem MCA-Board gegenübersitzen konnten – diese wurden anschließend zu MCMs. (Danke an boB Taylor und Assaf Fraenkel für die Internas).

5 MCAs für SQL Server halten den MCA sowohl unter 2005 als auch 2008.

Auf SQL Server 2012 gab es keinen MCA mehr zu erwerben.

Die letzte, finale und öffentliche Liste der MCAs, MCSMs und MCMs weltweit kann man immer noch hier finden: www.microsoft.com/en-us/learning/mcsm-certification.aspx

Es gilt jedoch weiterhin, dass die Liste und damit Anzahl nicht ganz vollständig ist, denn nicht jeder möchte seinen Namen veröffentlich sehen.
Für SQL Server gibt es demnach weltweit die folgende Anzahl „Mastern“:

MCM SQL Server 2005 MCA SQL Server 2005 MCM SQL Server 2008 MCA SQL Server 2008 MCSM Data Platform
33 23 (+3) 172 7 (+1) 7

Und da ich diesen Spruch von Brent Ozar, einem MCM-Kollegen aus den USA, so leger fand, hier eine aktualisierte Version davon:

„Es gibt mehr Menschen, die den Mond betreten haben (12) als es MCSMs für SQL Server 2012 gibt (7).“ 😀

Ja, und dann wäre da noch das „Ding“ da:

Was ist ein MCSM: Charter Member (Microsoft Certified Solutions Master Charter – Data Platform)?

Diese „Zertifizierung“, wurde allen MCMs zusätzlich zum MCM gegeben. Ohne irgendeine weitere Prüfung oder Voraussetzung. Also letztlich, dem Worte nach, zertifiziert sie: Nichts.

Hart aber wahr: Hier die offizielle Verlautbarung dazu: Existing Microsoft Certified Masters To Receive Microsoft Certified Solutions Master Charter Certification.

Warum macht man so etwas?
Vermutlich war es eine Art „Trostpflaster“ für die Abkündigung der Zertifizierungsreihe.
Ganz ursprünglich war es nur für eine Übergangsphase gedacht, aber nachdem klar war, dass das es den MCSM nicht lange geben würde, wurde der Charter Member auf Dauer vergeben.

(Zusätzlich wurde übrigens auch der MCSE: Data Platform allen MCMs „geschenkt“. – Zu dem Zeitpunkt hatte ich diesen jedoch bereits auf regulärem Wege in der Tasche, so dass ich gar nicht erst in die Versuchung kam, Prüfungen zu skippen :-))

An dieser Stelle kann ich kaum verbergen, dass mich jegliches Verbiegen der Nachweiskraft der Microsoft-Zertifizierungen wenig freut.

Leider verwirren diese Aspekte letztlich nur noch mehr in dem Zertifizierungs-Dschungel.

Normalerweise wurde ein „Charter Member“ bis dato für das Erreichen einer Zertifizierung innerhalb der ersten 6 Monate nach dem erstmaligen Erscheinen einer Zertifizierung vergeben. (Quellen: What’s the deal with Charter Member certificates?, https://www.microsoft.com/en-us/learning/program-membership.aspx )
Als Bonus für diejenigen, die sich als Erste an die Prüfungen gewagt und sie bestanden haben. – Diese „First-Achievers“ konnten nämlich keinesfalls bereits auf irgendwelche Braindumps zurückgreifen – und wir wissen ja alle, dass die normalen Prüfungen zu leicht mit allen möglichen Tricks erreichbar sind.

– Ich selber habe bisher 6 Zertifizierungen mit dem Charter-Member Status erreicht (diesen unsinnigen MCSM zähle ich da nicht mit). (andreas-wolter.com/Zertifizierungen)

Im Endeffekt hat das Charter Member-Logo also keinen wertigen Hintergrund. Deshalb verwende ich es auch kaum je irgendwo – wer erklärt schon gerne auf Nachfrage, dass eine Zertifizierung nichts Reelles bedeutet.

Kommen wir zu einem ganz anderen Zertifikat: SSAS Maestro

Zu dieser seltenen Zertifizierung kann ich weder ein Logo noch eine genaue Zahl an Individuen nennen, die diese halten.
Diese Zertifizierung hatte eine noch viel kürzere Lebensspanne als der Master. Der Maestro wurde eingeführt, um auch für die Business Intelligence –Seite des SQL Server, speziell den Analysis Services eine entsprechende Premium-Zertifizierung anbieten zu können. Hier die offizielle Ankündigung von damals: What is the SSAS Maestros?
Eine Abkündigung gab es nicht mal.

Bleibt ein Thema: Der MVP Award

Da kann man berechtigt fragen: „Was hat das hier zu suchen? – Das ist doch gar keine Zertifizierung.
Dem gebe ich Recht. Das ist jedoch nicht jedem bekannt und vor allem ist es dennoch ein gern gesehener Titel auf Konferenzen oder in Projekten, und darum erläutere ich hier kurz, was ein MVP eigentlich ist oder sein sollte.

An dieser Stelle möchte ich gern aus dem Blog eines ehemaligen MVP, Mitch Garvis zitieren:

„Der Microsoft MVP Award ist nicht für Leute, die in ihrer Technologie kompetent sind; er ist für Leute, die ihre Kompetenz mit der Arbeit in der Community teilen, beispielsweise in Blog-Artikeln, als Referent bei Events und Vorträgen, in Tweets, Foren und dergleichen.“

(Quelle: My parting words as a Microsoft MVP)

Bei Microsoft selber liest es sich wie folgt:

Wer sind MVPs?:

Microsoft Most Valuable Professionals, oder MVPs, sind Führungspersönlichkeiten, die ein vorbildliches Engagement gezeigt haben, anderen durch ihre Erfahrung mit Microsoft-Technologien zu helfen um diese optimal zu nutzen. Sie teilen ihre außergewöhnliche Leidenschaft, ihr Praxiswissen und ihr technisches Know-how mit der Community und Microsoft.“

„Wie wird man ein MVP?:

Es gibt keinen Maßstab wie man ein MVP werden kann, weil dies durch die jeweiligen Technologien und ihre Lebensdauer variiert. Folgende Beiträge beurteilen wir während der Bewertungsphase: Beiträge in online-Foren wie Microsoft Answers, TechNet und MSDN; Wikis und online-Inhalte; Konferenzen und Benutzergruppen; Podcasts, Websites, Blogs und Social Media; und Artikel und Bücher. Jeder Beitrag eines Kandidaten wird jedes Jahr mit den Beiträgen anderer Kandidaten verglichen, der sich in der gleichen Expertise befindet.“
(Quelle: Microsoft: Most Valuable Professional)

Das bedeutet, es gibt weder ein einheitliches Verfahren, wer diesen Award = „Auszeichnung“ verdient, noch gar eine Prüfung.
Auch fachliche Kompetenz steht hier nicht im Vordergrund und ist niemals der Grund. Für fachliches Wissen gibt und gab es Prüfungen. Auch wenn es seit dem Wegfall des MCM-Programms leider keine Praxisprüfungen mehr gibt – der MVP ist kein Ersatz dafür.

Zitate wie „Von Microsoft ist er aufgrund seines Fachwissens ausgezeichnet mit dem Titel ‘Microsoft Valuable Professional‘ “ sind daher leider irreführend.

Auch wenn sich unter den MVPs eine Vielzahl an echten Experten findet, ist das nicht das Kriterium. Es gibt viele zertifizierte Master, die nicht die Zeit oder Gelegenheit haben, ihr Wissen kostenlos (auch das ist ein Aspekt) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – oder die tun es, aber die entscheidenden Personen erfahren nicht davon, oder es gibt eine Länderspezifische Quote an maximalen MVPs je Thema, und so weiter, und ergo werden sie nicht mit dem MVP belohnt.

Dann gibt es immer auch die, die seit Jahren schon massiv viel in der Community aktiv sind, auf dutzenden internationalen Konferenzen aufgetreten sind, sogar bereits nominiert worden sind, und dennoch keinen Award erhalten. (Siehe Fälle wie Mark Broadbent)
Und auf der anderen Seite gibt es auch solche, von denen noch fast niemand je gehört hat, und die erst mit dem MVP wirklich bekannt und damit auch gefragt und aktiv werden. So ähnlich ist es letztlich bei vielen Auszeichnungen. Absolute Fairness wird es nie geben. – Ein Award ist nun mal keine Zertifizierung, und vielleicht sollte man einen solchen manchmal auch nicht so ernstnehmen.
Insofern kann ich mich letztlich glücklich schätzen, dass ich 2014 MVP wurde, nachdem ich bereits seit 2009 auf Konferenzen von Deutschland bis in die USA aktiv bin. (2012 6 Konferenzen, 2013 11, 2014 wurde ich dann MVP)

MVP, ganz allgemein, kann man werden, wenn man sich sehr für die Community eines Produktes engagiert. Sei es in Online-Foren durch Hilfestellungen, dem Halten von Vorträgen ohne Entgelt auf diversen Konferenzen, umfangreichen Blog-Artikeln oder anderweitigem Engagement, das in irgendeiner Weise der Produktsparte und anderen Kunden hilft. Ein bestimmtes Level an technischer Komplexität ist hier nicht gefordert, mehr die Kontinuität – und die ist, das kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, durchaus zeitaufwändig. Deshalb freue ich mich auch für jeden, der von Microsoft mit dieser Auszeichnung Anerkennung erhält.
Eine Garantie, bei einem bestimmten Umfang so gewürdigt zu werden, gibt es aber nicht, und sich „MVP werden“ als Ziel zu setzen, würde dem ursprünglichen Gedanken bei der Schaffung dieses Awards auch nicht gerecht.

Nominierung

Wer jemanden kennt, von dem er meint, er hat die Auszeichnung „MVP“ durch seine Aktivitäten in den letzten 12 Monaten (noch ein Kriterium) verdient, kann ihn hier direkt nominieren: Nominierung als MVP

Expertise

Was ich aus eigener Kenntnis der Master- als auch MVP-Community sagen kann, ist, dass Master in aller Regel eher breiter aufgestellt sind und, wie ja auch in den Prüfungen verlangt, in mehreren Bereichen der Datenbankengine (Beispielsweise Backup & Restore + Indexing + Volltextsuche) sehr versiert sind. Das Bei MVPs scheint es eine höhere Spezialisierung für genau ein Thema zu geben (Beispielsweise Indexing oder Hochverfügbarkeit). Das ist mein persönlicher Eindruck und durch keinerlei Umfragen oder gar Prüfungen fundiert und soll auch nicht negativ wirken. 🙂

Vorteile des MVP?

Für mich sind das der frühzeitige Einblick in zukünftige Entwicklungen von SQL Server noch lange vor Veröffentlichung und der direkte Kontakt zum Product-Team. Unter NDA, mit relativ geringen Beschränkungen offene Gespräche mit Microsoft-Entwicklern, für mich auch speziell dem Security-Team halten zu können, ist ein unschätzbarer Bonus.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig Licht in den Dschungel der Premium-Zertifizierungen von Microsoft bringen. 🙂

Happy learning & sharing

Andreas

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